2020

Auf dem Müllhaufen der Geschichte

10. März 2020, Innenleben

Der Schock sitzt tief. Denn eigentlich ist Fabian Hambüchen immer noch der hessische Turnheld schlechthin. Sein Reck-Gold ist nicht einmal vier Jahre her, sein Rücktritt gerade mal drei. Und dann muss ich so etwas sehen. Bislang dachte ich immer, Werte werden beim Turnen großgeschrieben. Ein solcher Wert ist natürlich die Wertschätzung (wie der Namen ja verrät) – im Zweifelsfall auf mindestens Lebenszeit, wenn die Verdienste um das Turnen große sind.

Umso tiefer sitzt der Schock ob des Anblicks. Unser Held von Rio – auf dem Abfallhaufen der Geschichte. Das hat er nun wirklich nicht verdient, liebe Kolleg*innen vom Deutschen Turner-Bund. Manchmal ist es ja nötig zu entrümpeln. Aber bitte: Gönnt doch unseren hessischen Helden ein wenig mehr Halbwertzeit. Zumal wir selbst beim Blick in die Turnhallen der Republik keine solche Lichtgestalt am Turnerhimmel erkennen können. Aber bis Tokio kann sich ja noch einiges tun, wovon wir uns dann bei der Olympia-Quali am 20. Juni hier in Frankfurt überzeugen können. Ob wir da allerdings auf die sachkundigen Kommentare von Fabian Hambüchen bei der Live-Übertragung zählen können? Ich finde, Zweifel sind angebracht…


Die Sucht der Anderen geht auch uns an

20. Februar 2020, Innenleben

Zurück aus der Versenkung. Mit einem heiklen Thema: Sucht. Das weisen wir gerne von uns. Der Autor besonders gerne, denn er ist ganz stolz auf 38 Jahre ohne jeglichen Alkohol und null Drogen. Toll, gell! Dafür hakt es an anderer Stelle, die wir an dieser Stelle aussparen wollen. Aber es hakt bei uns allen an bestimmten (Sucht)Stellen, auch wenn wir es manchmal nicht wahrhaben wollen. Vermeintlich verschont blieb der Sport, gerade unser beschaulicher Turnvereinssport bisweilen, so dachte ich immer. Na klar, der Sport selbst kann zur Sucht führen: Mit gesteigerten Adrenalin-Kicks zum Lauf-Junkie. Davon hat man schon gelesen, das gehört aber zu den Leichtathleten und damit nicht in unseren Beritt, denn Bodenturn-Süchtige sind mir bislang nicht untergekommen. Gibt es vielleicht aber auch, was deshalb nicht ins Lächerliche gezogen werden sollte.

Ganz und gar nicht lächerlich ist da eine Meldung, die aus dem Ruhrgebiet auf meinen Schreibtisch schwappt. Immer mehr Wettsüchtige durch Sportwetten. Und darunter sind immer mehr junge Menschen, die online wetten, so die Suchtberatung in Dortmund. Trifft uns nicht, denkt der Turner, lehnt sich genüsslich zurück und deutet auf die Fußballer. Stimmt leider nur bedingt. Denn, siehe da, man kann auch auf die finnische Bandy-Liga (ein klarer Fall für wikipedia, liebe Leser!), internationale Schachturniere und Turn-Wettkämpfe wetten.

Ich muss zugeben, dass mir dieses Terrain noch fremder ist als Alkohol und Drogen, denn diese Dinge hake ich getrost als Jugendsünde ab. So habe ich tatsächlich zum ersten Mal nach 25 Jahren Internet-Nutzung einige einschlägige Wettseiten angesteuert, deren Klickzahlen übrigens regelmäßig in den Website-Hitlisten ziemlich weit vorne notiert werden. Ging bislang völlig an mir vorbei, hat sich aber gerade geändert.

Gepaart mit einer bitteren Erkenntnis: Wir alle profitieren irgendwie von der Sucht der Anderen. Denn wo kam doch gleich das Geld für die langlebeigen Turngeräte her, die der Lsbh ausschüttet, oder die Übungsleiter-Zuschüsse? Genau: aus Lotto-Mitteln! Wobei man zugeben muss, dass der Vergleich ein wenig hinkt, denn deren Geschäft ist wenig online-basiert, deutlich verantwortungsbewusster und bezieht sich nicht auf Sportwetten. Aber die 20 Prozent, die der schleswig-holsteinische Fiskus von den Online-Anbietern kassiert, kommen sicher auf der anderen Seite auch dem Gemeinwohl Sport zugute. Das stimmt nachdenklich.


Chinesische Schummler schaden vor allem der Natur

25. Oktober 2019, Innenleben

Jetzt ist aber genug über Bälle geschrieben worden. Finde ich. Zeit sich den wirklichen ernsten Themen in Turnen und Sport zuzuwenden. Nehmen wir den Orientierungslauf. Der blüht ja hierzulande trotz seines Mauerblümchen-Daseins mehr oder minder bunt. Ja, unsere hessischen Orientierungsläufer*innen wissen mit Erfolg innerhalb des schönsten aller Bundesländer, aber auch außerhalb und sogar auf internationalem Parkett zu gefallen. Und das, obwohl der OL andernorts alles andere als eine Randsportart ist. Besonders in Skandinavien. Logisch: In den endlosen Wäldern Finnlands, der unberührten Fjäll-Landschaft Schwedens oder im norwegischen Naturpark Hadanger Vidda mangelt es verständlicherweise an geeigneten Jogging-Pfaden, so wie wir es aus dem Taunus oder dem Frankfurter Stadtwald gewohnt sind. Skandinavier an sich sind also von Natur aus, quasi genetisch-geographisch, gezwungen, insofern sie läuferisch ambitioniert sind, sich in der Wildnis zu orientieren. Also wird der skandinavische Mann oder die skandinavische Frau Orientierungsläufer.

Ganz anders schien mir das in China. Zumindest bislang. Auch wenn das Reich der Mitte etwa 250mal größer ist als der Zwergstaat Norwegen, kommt man dort mit 145 Einwohnern pro km² auf einen elfmal höheren Quotienten als die Wikinger (13 Menschen pro km²). Die Bevölkerungsdichte ist also hoch. Da wird das Mauerblümchen Orientierungslauf also gerne mal übersehen - dachte ich. Zumal mir die weniger erschlossenen Landschaften der Volkrepublik als OL-Terrain weniger geeignet scheinen – man denke nur an die Wüste Gobi.

Alles grobe Unkenntnis. Denn in China scheint Orientierungslauf eine richtig große Nummer zu sein. Wie sonst lässt sich diese Meldung sonst erklären? „Geheime Pfade und Markierungen: Chinesen schummeln beim Orientierungslauf“, derer ich gerade habhaft wurde. Klar, dass die Volksrepublik als große, breitaufgestellte Sportnation sicherlich ein guter Gastgeber der Militärweltspiele ist. Und natürlich spielt der Orientierungslauf im soldatischen Sportlerleben eine größere Rolle als im zivilen. Aber so was: Pfade durch den chinesischen Wald fräsen und damit den Lebensraum der Pandas zerstören; oder Zuschauer postieren, die Tipps zurufen. Ja, die Kollegen der Deutschen Presse Agentur haben recht: Den chinesischen Ausrichtern scheint der „moralische Kompass verloren gegangen“ zu sein. Aber wenigstens hat es der Orientierungslauf wieder einmal in die Schlagzeilen gebracht. Und das hat dieser wunderbare Natursport wirklich verdient.

 


Schreiben ist Silber, Lesen ist Gold

11. Oktober 2019, Innenleben

Zwischen Urlaub und Fortbildung nehme ich den Fehdehandschuh gerne auf, der mir aus der HTV-Außenstelle im Vogelsberg zugeworfen wurde. Für so etwas muss einfach Zeit sein. Erst einmal bedarf es wohl einer Klarstellung. Nichts geht über Bälle. Und zwar jene in runder, meist elastischer, gerne auch in elliptischer Form. Egal ob geworfen, gekickt, in der Luft gehalten. Ball geht immer. Ballspiele versprechen Spannung, natürlich besonders bei Rückschlagspielen (jaja, der Volleyball). Soweit so gut, sieht man von einer Ausnahme ab. Das ist natürlich der Fußball, der natürlich totgeredet, totübertragen und totgeschrieben ist. Dieses Spiel ist grundsätzlich langweilig – und zwar im besten Sinne, weil in viel zu langer Zeit viel zu wenig passiert. Außerdem ist es mir zu einfach gestrickt, ehrlich gesagt zu banal und ich unterstelle diesem Spiel und seinen Akteuren das, was man den Handballern nach der WM 2007 unterstellte: Es sei der Sport der Provinz. Aber das alles ist aber an dieser Stelle hinreichend beleuchtet worden (Lesen hilft!).

Denn derzeit schwelge ich frühmorgendlich im Rugby-Fieber, zum Frühstücksfernsehen gibt’s die WM in Japan. Und mein Team, France XV, hat sich am vergangenen Sonntag eine epische, unfassbar spannende Schlacht mit Tonga geliefert, am Ende knapp gewonnen und zählt damit zu den Titelfavoriten. Aber auch dies wurde hier bereits in geschriebener Form angedeutet.

Dabei will ich ehrlich bleiben. Ich finde die Rugby-WM bei weitem spannender als die unsere Konkurrenz-Veranstaltung in Stuttgart. Da kommen nämlich gar keine Bälle vor. Das ist nachteilig. Auch wenn es unser DTB-Männer-Team wirklich spannend gemacht hat und gerade noch so das Olympia-Ticket lösen konnte. Daher glaube ich auch, dass so ein Ball dem Turnen guttun würde.

Kommen wir also zum anderen Ball. Es mag ja sein, dass der eine oder andere so eine Veranstaltung spannend oder gar verführerisch findet. Ich nicht. Auch nicht wenn es dabei um den Sport geht. Das liegt vor allem an zwei Dingen: Erstens muss ich meinen Hals unter eine Krawatte oder eine Fliege zwängen und zweitens muss ich tanzen. Womöglich mit meiner Frau. Das mag für andere unterhaltsam sein – angesichts von exakt 43 Zentimetern Größenunterschied zwischen uns beiden nebst meiner angeborenen Begabung, Schrittfolgen garantiert völlig anders zu interpretieren als der Takt es vorgibt. Ich finde es (übrigens ganz zum Bedauern meiner Gemahlin) eher wenig unterhaltsam und spende den Charity-Beitrag lieber direkt an Journalisten ohne Grenzen und verbringe den Abend mit einer geistreichen Lektüre. Denn Lesen ist Gold und steht auf meinem Siegertreppchen ganz weit oben, Frau Kollegin.


Bälle sind nicht für jeden was! - von Ann-Kathrin Bender

27. September 2019, Hessischer Turnverband - Innenleben

Mein Kollege zum Beispiel hat eine ganz klare Abneigung gegen Bälle, das wird immer wieder deutlich! Das gilt sowohl für die Form, die vom Duden beschrieben wird als „kugelförmiger, gewöhnlich mit Luft gefüllter [elastischer] Gegenstand, der als Spielzeug oder Sportgerät verwendet wird“ (ok, ok, der Volleyball ist von der Abneigung ausgenommen) als auch für die zweite Definition, die im Duden geschrieben steht: „größere [festliche] Tanzveranstaltung“. Während der erste „Ball“ aus dem mittelhochdeutschen kommt, leitet sich Letzterer aus dem Lateinischen von ballare = tanzen ab.

Der „Ball“ ist also ein ganz und gar sportliches Wort, wenngleich die Bedeutungen doch sehr verschieden und für viele gedanklich nur sehr schwer unter einen Hut zu bringen sind. Tanzen und Ball spielen. Aber man schaue sich nur mal die rhythmischen Sportgymnastinnen an, die dem Ball gleich eine ganze Disziplin widmen und deren Präsentationen â€ždurch tänzerische und akrobatische Elemente gekennzeichnet“ sind, wie der DTB auf seiner Webseite schreibt. Tanz und Ball also in einem harmonischen Einklang. Und überhaupt: Wurde nicht sogar manch Fußballer als der, „der mit dem Ball tanzt“ (ich glaube, Mario Götze, Ronaldinho und Mesut Özil waren darunter) beschrieben? Ball ist also eigentlich ein überaus verbindendes Wort!

Verbunden hat es kürzlich bereits zum 18. Mal auch jede Menge Sportler: Denn bei der Olympischen BALLnacht des Landessportbundes Hessen trafen sich Sportler aus den unterschiedlichsten Sportarten und verbrachten einen festlichen Abend miteinander. Gekürt wurden dort unter anderem auch Hessens Sportler des Jahres, Sarah Köhler (Schwimmen) und Stephan Leyhe (Skispringen) und die Sportschützin Natascha Hiltrop in der Kategorie Sportler mit Behinderung. Übrigens dotiert mit (meiner Ansicht nach viel zu geringen) 1000 € und umrahmt durch vorwiegend akrobatisch-tänzerische Darbietungen.

Ich halte die Olympische Ballnacht für eine tolle Veranstaltung, die Ballsportler mit Tänzern, Schwimmer mit Skispringern und viele andere Sportler und Sportarten zusammenbringt. Und ganz nebenbei dient die Sache auch noch einem guten Zweck: Die Erlöse aus einer groß angelegten Tombola gehen an die Stiftung Sporthilfe Hessen. Der Gewinner des diesjährigen Hauptpreises wird übrigens noch gesucht, da er sich bisher nicht gemeldet hat: Alle, die ein noch nicht eingelöstes Gewinnlos der Farbe Blau, besitzen, könnten es sein. (Da fällt mir ein, dass ich wohl die Kollegin, die vor Ort war und bestimmt ein Los gekauft hat, wohl nochmal anstupsen muss, in allen Taschen zu suchen.)

Während der Frankfurter Kollege nichts von „größeren [festlichen] Tanzveranstaltungen“ hält, bei denen man sich auch noch schick anzieht und in Kleid und Anzug flaniert, ist die Alsfelder Kollegin begeistert und verkündet: „Ich gehe gerne auf Bälle!“ Und wenn es um den Ball in runder Form (ok, von mir aus auch in eiförmiger Variante, obwohl es dann rein definitorisch kein Ball ist) geht, sind wir uns alle wieder einig, dass der Ball an sich doch eine ganz gute Sache ist (schließlich gehören zu den Turnern auch die Faust- und (Zweier-)Prellballer). Zumindest, solange es nicht um Fußbälle geht. Also sind Bälle doch (fast) für jeden etwas!


Turnen und Rugby, zwei Seelenverwandte im Wahrnehmungs-Nirvana

24. September 2019, Innenleben

Immer wieder bewegt einen Schreiber die Frage, was den Leser wohl bewegen mag. Oder andersherum, fragt sich der Schreiber, ob die Themen, die ihn bewegen auch (in diesem Fall ganz konkret) auch den Leser des Turn-Blogs bewegt. Schneller Konsens ist gefunden, wenn es zum Beispiel um die Radwende oder Rondat geht. Solche Kunstformen der Bewegung suchen natürlich ihresgleichen, sind quasi unvergleichlich, aber dennoch nicht konkurrenzlos, sollten an dieser Stelle aber umso mehr auf großes Interesse stoßen. Denn ausgerechnet parallel zur Heim-WM unserer Turn Teams in Stuttgart findet auch die Weltmeisterschaft im Rugby statt. Okay, die Titelkämpfe im Vergleich zum Turnen eher zweikampfbetonten Mannschaftslaufspiel, bei dem der Raumgewinn im Vordergrund steht – wohingegen es beim Turnen ja eher um die Raumnutzung geht. Diesen Raumgewinn erprobt man auf höchstem Niveau ausgerechnet im weit entfernten, aber für seine Enge bekannten Japan.

Doch trotz aller Gegensätze: Die beiden gar so unterschiedlichen Sportarten sind eigentlich Seelenverwandte. Denn Rugby ist – wenn auch von anderer Provenienz – fast genauso alt wie das Turnen, der Legende nach wurde es in der eponymen englischen Stadt 1823 zum ersten Mal gespielt, also kaum 10 Jahre nachdem Jahn seinen berühmten Platz auf der Hasenheide in Betrieb nahm. Doch Hochbetagung allein soll noch kein Indiz für Seelenverwandtschaft sein. Das stimmt so weit. Die interessanten Parallelen liegen – wie könnte es auch anders sein – in der Gegenwart. Denn während in rund zwei Wochen die Turner in Stuttgart ihre Räder wenden und in Tokio hartgesottene Kerle den Rasen umpflügen, um Raum zu gewinnen, machen die Deutschen das, was sie immer machen. Sie schauen Fußball und nehmen weder die Eleganz in Schwaben noch die rückwärtsgewandten Pässe des Ellipsoids (so nennen Geometrielehrer das eigenartige Rugby-Ei) im Land der aufgehenden Sonne zur Kenntnis. Und das ist für beide Anlässe schade.

Dabei hätten beide viel mehr Aufmerksamkeit verdient. Und zwar jeder auf seine Art. Da wäre zum Beispiel die Massenwirksamkeit. Denn die beiden Seelenverwandten sind an Spektakulärem nicht zu übertreffen. Schauen Sie sich alleine die Flugeinlagen an. Weltklasse. In anderen Ländern hat man das schon verstanden, beim Rugby umso mehr. So dürfte sich das WM-Endspiel am 2. November durchaus über eine Milliarde Zuschauer weltweit freuen. Immerhin, es handelt sich ja um die größte Sportveranstaltung des laufenden Jahres. An diesem Punkt hinkt das Turnen ein wenig hinterher, das muss ich leider feststellen. Denn die Turn-WM Als Straßenfeger in Tonga, Neuseeland oder auf den Fidschis zu bezeichnen, wäre vermessen. Dennoch: Das Potenzial ist da, die Turnbewegung steht auch international gut da, erfreut sich weiter Verbreitung. Und sie hat einen Trumpf, den sie noch nicht wirklich ausspielt: Hier messen sich beide Geschlechter. Nicht, dass es kein Frauen-Rugby gäbe. Aber das findet bislang wenig öffentlich Interesse - was schon sehr vorsichtig formuliert ist. Aktuell sind es aber die Turnerinnen, die mit ihren Salti und Schrauben die Sportwelt aufhorchen (siehe schubloggt vom 12. August). Aber auch in Stuttgart werden sie sich wieder einsortieren müssen. Zusammen mit den Rugby-Herren. Irgendwo im Wahrnehmungs-Nirvana unterhalb des deutschen Fußball-Horizonts. Schade.


Der Kassenwart, eine Zierde für unsere Gesellschaft

19. September 2019, Innenleben

Fast ist sie schon wieder vorüber, die Woche des Bürgerschaftlichen Engagements. Wäre sie nicht im einen oder anderen Organ des deutschen Sports erwähnt worden, wäre sie wohl ganz an mir (und vermutlich auch an den meisten) vorübergegangen. Dabei haben doch solche Wochen etwas Gutes an sich. Sie werden medial ordentlich geritten, was zur Folge hat, dass man über das eine oder andere Thema mal intensiver nachdenkt. Als Klassiker fällt mir da die Woche der Brüderlichkeit ein, die einen willkommenen Anlass darstellt, über das christlich-jüdische Zusammenleben in unserem Lande nachzudenken. Angesichts des grassierenden Antisemitismus dürfte das wohl topaktuell sein.

Jetzt also die Engagementswoche. Und nun, bei der 14. Auflage (sie glauben gar nicht, wie lange ich googeln musste, um das herauszubekommen), tritt der Sport aus dem Schatten. Obwohl der Sport ein unfassbar großes Engagement-Feld in diesem Lande darstellt, war er in diesem Kontext kaum wahrzunehmen. Das Feld ist vielmehr von den Klassikern beherrscht, nämlich Kultur und Naturschutz. Mit den ihnen eigenen Stilblüten. Die finden sich im Engagementskalender auf der Homepage unserer Feierwoche: „Musik lieg in der Luft“ (gemeint ist wohl nicht Peter Frankenfeld, sondern Waiblingen) oder „Berühmte Pflanzen erzählen“ (ich bin gespannt auf den Duktus).

Dazwischen mogelt sich seit neuestem auch der Sport. Vertreten nach außen (bzw. auf der Homepage der Engagementswoche) durch den DOSB. Der nutzt die Chance (zu Recht!) auf die Vielfalt, aber auch die Breite und Quantität des Engagements in den 90.000 deutschen Sportvereinen hinzuweisen.

Nun soll an dieser Stelle keine Bewertung vorgenommen, ob das bürgerschaftliche Engagement in einem Sport- oder am liebsten sogar noch in einem Turnverein ein besseres ist, als in einer Tafel, Seniorenbetreuung, Arbeitsloseninitiative, einer Kultureinrichtung, in der Kirche oder bei der Hilfe für Migranten. Das wäre vermessen. Im Gegenteil; jede Form des bürgerschaftlichen Engagements ist eine Zierde für unsere Gesellschaft. Übrigens auch das in (demokratischen) Parteien, das wird heute gerne mal vergessen oder ins Gegenteil verkehrt. Denn ehrenamtlich Verantwortung zu übernehmen fördert den Zusammenhalt und damit unsere Demokratie.

Soweit, so gut. Weithin ausgeblendet blieb in diesem Engagement-Förder-Trubel bislang der Sport. Das ist unverständlich, mag aber auch an uns selbst liegen. Denn der Sport ist ein in sich geschlossenes System mit eigenen Regeln, eigener Gerichtsbarkeit und eigener innerer Organisation, gleichsam ein wenig Staat im Staat. Oder ganz banal: Wer nicht Badminton spielt, wird auch nicht in einen Badmintonverein gehen. Stimmt aber nicht ganz. Denn neben dem sportlichen Erfolg gibt es auch noch zwei Triebfedern, sich bürgerschaftlich im Sport zu engagieren. Denn einerseits gilt es, in einem demokratisch bestimmten Gremium, die Rahmenbedingungen für den Sport vor Ort herzustellen. Zum anderen gibt es neben dem klassischen Wettbewerb im Sport auch das, was wir Breiten-, Freizeit und Gesundheitssport nennen. Das ist nun wirklich Altruismus pur. Wer weiß das besser, als wir Turner.

Vor diesem Hintergrund sind Überschriften wie „Sport und Engagement“ überflüssig wie ein Kropf. Denn hierzulande funktioniert das System Sport nach wie vor nur auf eine Weise – engagiert. Fragen sie doch mal den Kassenwart ihres Turnvereins!

 


Sport verbindet – wirklich!

12. September 2019, Innenleben

Gestern habe ich Shaul Ladany kennengelernt. Nicht persönlich, sondern im Pressedienst des Deutschen Olympischen Sportbundes, der jeden Mittwoch die heiligen Turnhallen erreicht. Wobei ich sagen muss, dass ich ihn gerne kennenlernen würde. Denn bei Shaul Ladany handelt es sich um eine wirklich bemerkenswerteste Persönlichkeit, von denen ich je im Sport hörte. Er ist nicht nur ein guter Geher, der an zwei Olympischen Spielen teilnahm (1968 und 1972) - vor einigen Monaten absolvierte er einen Halbmarathon in Budapest. Mit etwas mehr als 80 Jahren fast schon nichts Außergewöhnliches mehr, wäre er nicht bei den European Makkabi Games im schwarz-rot-goldenen Trikot gestartet. Shaul Ladany wurde nämlich 1944, im Alter von acht Jahren, aus seiner ungarischen Heimat ins Konzentrationslager Bergen-Belsen deportiert. Er gehörte zu den wenigen jüdischen Häftlingen, die aufgrund von Verhandlungen ungarischer und schweizerischer jüdischer Organisationen mit der SS gerettet wurden und im Dezember 1944 in die Schweiz ausreisen durften. Später wanderte er nach Israel aus. Und kehrte 1972 zurück nach Deutschland. Zu den Olympischen Spielen nach München. Dort überlebte er nur knapp den Anschlag palästinensischer Terroristen auf die israelische Mannschaft.

Seit ein paar Tagen ist das papierene Vermächtnis in Bergen-Belsen zu sehen und macht das Grauen der NS-Zeit für Besucher*innen begreifbarer, persönlicher. Shaul Ladany selbst war bei der Eröffnung vor Ort. Bei ihrer Ansprache hat DOSB-Vize Uschi Schmitz die richtigen Worte gefunden, die an dieser Stelle für sich stehen sollen: Danke, dass Sie dieser Weg immer wieder auch zu uns führt. Und so nehme ich zwei Bilder mit aus dieser Veranstaltung: Sie hier unter uns, und Sie mit dem deutschen Trikot in Budapest. Und das nach allem, was geschehen ist. Wir sagen so oft, dass uns Sport verbindet. Er tut dies wirklich und wahrhaftig.


Wir sind die Guten und wollen es auch bleiben!

04. September 2019, Innenleben

Eigentlich gibt es so etwas wie einen ungeschriebenen Codex, dass ich mich an dieser Stelle aus der Politik heraushalte. Zumindest soweit es nicht um Sportpolitik im engeren und vielleicht auch weiteren Sinne geht. Denn allein dieses Politikfeld bietet ja genug Spielraum, sich zu ereifern, zu lästern und mahnend den Finger zu heben. Aber wenn die Grundwerte und der offen-demokratische Konsens verlassen wird, in dem wir alle uns im Sport (und der daraus resultierenden Sportpolitik) bewegen, ins Wackeln gerät, dann gilt mein alter Lieblings-Brecht-Spruch umso mehr: "Wo Unrecht zu Recht wird, wird Widerstand zur Pflicht".

Zudem hatte ich mir bislang eine Art Schweige-Gelübde auferlegt - unter dem Motto: "Nicht öffentlich über die rechten Idioten reden, denn alleine damit nimmt man sie viel zu ernst." Zumal wir hier, im schönsten aller Bundesländer, von den menschenverachtenden, undemokratischen und rassistischen Umtrieben gerade im Sport weitestgehend verschont blieben. Aber: Das ist falsch.

Nicht weit von uns nimmt nämlich das Unheil auch im Sport seinen Lauf. So sei an dieser Stelle an einen etwas versteckten aber unbedingt lesens- bzw. schauenswerten Beitrag der WDR-Kollegen von Sport Inside hingewiesen. Da schickt eine rechtsextreme Organisation zum wiederholten Male via eines Kampfsportvereins-Ableger junge Leute zum Sportabzeichen. Die Kollegen des LSB Thüringen versuchen es zu verhindern. Klappt leider nicht, denn man schleicht sich ein. Hinterher präsentiert man das Sportabzeichen stolz auf seiner Homepage. Schlimm genug soweit, wenn man dann aber noch die Kommentare der Unterstützer liest, fällt mir nur noch der Kommentar der Zeit-Kollegin Melan Kiyak zu den Landtagswahlen am Wochenende ein: Kotzanfälle übers Treppengeländer (übrigens auch unbedingt lesenswert).

Der Sport insgesamt, das Turnen aber insbesondere sollte sich seiner Verantwortung bewusst sein und sich in seiner großen, alten und guten demokratisch-offenen und pluralistischen Tradition mit breiter Brust diesen Idioten entgegenstellen. Denn was diese Idioten wollen ist ein Systemwechsel. Und der betrifft nicht nur die Politik, die Kultur oder Bildung. Er betrifft auch den Sport. Wir sollten wachsam sein.

PS: Heute verzichte ich mal auf ein Bild, denn bei all dem Bildmaterial, dass ich zum Thema finde, geht es mir sofort wieder wie der Zeit-Kollegin im Treppenhaus.


Die Turnwelt und die Tiere

02. September 2019, Innenleben

Ausnahmsweise pünktlich ereilte unser wunderbares Zentralorgan "Turnen in Hessen" gerade meinen Schreibtisch. Mit Blick auf das eigene Geschriebene (schuschreibt, TiH 173, S.6) waren die Tier-Teams im Sport plötzlich wieder virulent, obwohl ich mit dem Befreiungsschlag einer Kolumne gehofft hatte, es auf die Haben-Seite zu bugsieren und so aus Schus eigenartigen Kopfkino zu entfernen. Doch dem ist nicht so.

Schuld daran ist aber nicht die Kolumne selber, auch nicht das selten dämliche Känguru-Bild, das ich an dieser Stelle gerne noch einmal optisch dem geneigten Leser nahe bringen möchte und unbekannten Fotografen auf pixabay gerne noch eine kleine Lobhudelei zukommen lassen möchte. Nein, man sucht ja viel lieber die Schuld bei den Anderen. Und schuld sind diesmal die Kolleginnen aus der Radaktion. Völlig unreflektiert setzen sie meiner These, dass beim Turnen sowieso alles besser ist, die Überschrift eines Rope Skipping-Artikels entgegen. Nur fünf Seiten weiter (TiH 173, S.11) titeln sie das Unfaßbare: "Flying Ropes und Jumping Swans dominieren die Weltspitze".

Nun gut. Dass hessische Rope Skipper Weltspitze sind, diese These vertrete und verbreite ich seit Jahren immer wieder gerne. Insofern gefällt der Titel, untermalt er doch die überragende Sportartenentwicklung in diesem immer noch recht jungen Fachgebiet im HTV. Soweit die Haben-Seite.

Doch ganz wesentlich ins Saldo geriet die Sache hinsichtlich der Namensgebung. So wurde keck von mir in der Turnen in Hessen postuliert, dass man bei den Turnern alles besser macht, insbesondere das mit den passenden Tiernamen - siehe Trampolinverein Kängurus Dauernheim. So. und nun schickt die altehrwürdige Turngemeinde Hanau ihre seilspringenden Mädels zu Titelkämpfen in die norwegische Hauptstadt. Dort sind sie auch noch erfolgreich. Doch: Wie kann das sein? Springende Schwäne sind's, die da um Medaillen kämpften.

Nur - welcher Schwan springt? Fliegen ja, schwimmen genauso gerne, auch segnen sie das Zeitliche (Schwanensee, Tschaikowski), oder dienen als mystisches Zuggefährt (Lohengrin, Wagner). Auch hat man schon von Schwänen gehört, die ihre Kinder beschützend, wohlmeinende Schwimmer attackierten. Aber seilspringend? Da muten doch die Toronto Raptors in der NBA gleichsam (sport)Artengerecht oder die Miami Dolphins als Beispiel sportlicher Biodiversivität an. Aber vielleicht können mich die Skipper aus der Main-Kinzig-Stadt ja aufklären, was sie zu dieser anmutigen, aber exotischen Namenswahl veranlasste... Einen ersten Hinweis fand ich schon bei Wikipadia: "Schwäne haben oft die menschliche Fantasie beflügelt". Offensichtlich auch den sportlichen Erfolg beim Rope Skipping. Oder?


Über die wahre Schönheit des Turnens

26. August 2019, Innenleben

Wenn Sie die Freundlichkeit hätten, nach unten zu blättern, denn da geht es um starke Frauen, ihre Unterrepräsentanz im Fußball und was sie alles draufhaben – gerade beim Turnen. Stimmt. Aber nur bedingt. Denn erstens bemängelt eine Kollegin: Männer sind nicht zwangsläufig athletischer. Stimmt. Es gibt unterschiedliche körperbauliche Voraussetzungen. Diese wirken aber nicht zwangsläufig nur auf die Athletik. Das sollte nicht nur der Komplettheit zuliebe hier nicht unerwähnt bleiben.

Und auch noch an anderer Stelle wurden Vorwürfe laut, ich solle meine Behauptungen, dass im Turnen alles besser sei in Sachen Gendering, da möge ich bitte doch noch mal ganz genau drüber nachdenken (was mir natürlich grundsätzlich schwerfällt, ich werde mir aber trotzdem Mühe geben).

Huereka, es stimmt. Schon wieder.

Also. Grundsätzlich gilt: Der HTV, wie auch der DTB sind Frauen-Verbände. Sowohl im Hessenland als auch auf Bundesebene verzeichnen Turnvereine ziemlich genau doppelt so viele Frauen wie Männer. Stellt sich die Frage, wie es auf Funktionärs-Ebene aussieht. Um ehrlich zu sein: schlecht. Allenthalben dominieren die Männer die Turnwelt – zumindest wenn es um Funktionen geht. Neun Präsidiumsmitglieder verzeichnet der Hessische Turnverband, fünf Männer, vier Frauen. Der Präsident: ein Mann. Nur einen Hauch besser kommt der DTB daher. Pari-Pari, fünf Männer und fünf Frauen teilen sich die Präsidiums-Sessel, Aber auch hier steht ein Mann dem Gremium vor (was in  beiden Fällen auf keinen Fall persönlich gemeint ist!).

Es ist und bleibt müßig (besonders für einen Mann!!!), über patriachale Strukturen im Sport (oder der Politik oder der Wirtschaft) bzw. über die Rahmenbedingungen für Frauen im sportlichen Ehrenamt zu schwadronieren. JederMann, der irgendwie im 21. Jahrhundert und der aktuellen offenen Gesellschaft in der Bundesrepublik angekommen ist, sollte inzwischen verstanden haben, dass es eine (sport)politische Maxime sein muss, Frauen in exponierten Funktionen zu fördern.

Und einmal abgesehen von der gesellschaftlichen Tragweite und der Verteilung in den Verbänden – Hand aufs Herz: Frauen turnen nun wirklich schöner!

Über die wahre Schönheit des Turnens


Simone Biles for president

12. August 2019, Innenleben

Die Mahnung ließ nicht lange auf sich warten. Kaum ist das Turnfest vorüber, der Urlaub vorbei - schon soll dem siechenden Schublog neues Leben eingehaucht werden. Zumal die Arbeitsbasis für diese Ansammlung digitaler Absonderlichkeiten wiederhergestellt wird. Denn seit neuestem hat die Fokuszeit wieder Einzug gehalten. Die montägliche Fokuszeit gehörte stets dem Blog. Jenes verführerisch ruhige Stündchen, das zu kontemplativen Gedanken einlädt, es ist die Grundlage für das hier Abgesonderte (siehe Blog vom 28.2.19: Das Silicon Valley liegt in der Hasenheide).

Themen haben sich ja auch genug angesammelt. Sogar brandaktuelle und beliebte dazu, die auch noch wunderbare Synergien erzeugen. Da wären zum Beispiel Turnerinnen und Fußballer. Kein ganz neuer Vergleich, aber ein immer wieder beliebter an dieser Stelle. Sie sollen heute aber mal ganz anders beleuchtet werden. Brandheiß nämlich (und ohne irgendwelche Hintergedanken!). Da wäre nämlich der Triple Double der überragenden Ausnahme-Turnerin Simone Biles bei den US-Meisterschaften: Gehockter Doppelsalto mit drei Schrauben am Boden. Wahnsinn. Ein Element, an das sich noch nie zuvor eine Turnerin herantraute, geschweige denn ausführte, und selbst bei den wesentlich athletischeren Turnern nicht gerade zum Standard-Repertoire gehört, um es vorsichtig zu formulieren. Klar, dass dieser Triple Double weltweit medial wie viral durch die Decke ging. Zu Recht.

Und dieses durch die Decke gehen eint die Biles-Übung mit der Top-Sport-Meldung am gestrigen Donnerstag. Fritz Keller wird neuer DFB-Präsident. Einhergehend mit den immer gleichen Plattitüden und Stereotypen ("Hoffnungsträger für den zerrütteten größten Sportverband der Welt"). Um es gleich vorwegzunehmen. Ich finde es eine mehr als interessante und wohlüberlegte Auswahl der Findungskommission. Einer, der offensichtlich eher Genussmensch als Funktionär ist, und im konservativen deutschen Fußball "steht der von ihm geführte SC Freiburg schon seit fast drei Dekaden für das Gute im deutschen Fußball. Ein Klub, der aus wenig viel macht, frei von Skandalen ist, solide wirtschaftet, sich seiner sozialen, ökologischen und gesellschaftspolitischen Verantwortung bewusst ist", so zumindest kommentieren es die Kollegen der taz.

Also eine gute Wahl?!? Mitnichten. Denn wenn man wirklich Mut bewiesen hätte, wäre man auf die Suche gegangen nach der deutschen Simone Biles des Fußballs. Denn Simone Biles hat uns gezeigt, wie stark Frauen sind. Und was sie alles draufhaben. Manchmal oder oft sogar einiges mehr als Männer. Bei den Turnern zumindest. Aber warum nicht auch beim größten Sportverband der Welt?


#BEHPPY: Fremdgesteuert

19. Juni 2019, #BEHPPY19, Innenleben

Der Irrsinn hat Methode. Besonders wenn so ein Landesturnfest Fahrt aufnimmt. Es sind unendlich viele Menschen, die herumwuseln, transportieren und schleppen, auf- und umbauen, an- und herumfahren, sich und andere besprechen. Eine besondere Einheit konnte ja gestern abgebildet werden, heute hingegen geht es um das Herz des Turnfestes: das Back Office. Das ist strategisch extrem gut positioniert, direkt mitten im Geschehen gelegen, dabei aber etwas abseits und unscheinbar platziert. Denn es handelt sich um ein profanes Zelt. Immerhin mit Holzboden und liebevoll unter dem schützenden, schattenspenden Blätterdach eines bäumernen Ziergewächses befindlich, dafür aber ohne Strom und Internet. Das hat auch seine Vorteile, denn die Leute, die sich daselbst um den wohlfeilen Fortgang des Turnfestes kümmern, haben ja sowieso ihre Handys, die nutzen sie auch reichlich (und vermutlich würden sie sie am liebsten schon lange in Tonne gekloppt haben….), sind somit mitten drin. Aber so ein Handy und auch so ein Laptop braucht ab und an Steckdosen-Nachschub. Und genau an der Stelle wird ein Schuh draus.

Um sich also die Akkumulatoren jener Geräte mit Energie zu versorgen („Moment Kollege, mein Rechner ist gleich alle...“), muss man sich in die benachbarte zentrale Verpflegungsstelle der Turnfest-Helfer begeben. Das wiederum könnte für den einen oder anderen Konsequenzen haben, würde es doch die Ehre unseres Küchenchefs kränken, sollte es zu Beschwerden über Qualität oder Quantität der feilgebotenen Speisen kommen, was sich in herzhaftem Zulangen dokumentieren sollte. Will heißen: Es mangelt zu keiner Tageszeit an lecker Brötchen, Kaffee (je nach Tageszeit ergänzt um Kekse), Mittag- und Abendessen. Alles reichlich da – und lecker. Das ist für die Arbeitenden gut, denn wenn man schon mal eine Pause einleget, kann man auch gleich die Glykogen-Speicher wieder auffrischen.

Für die Stromsuchenden Arbeitsbienen aus dem Bienenstock des Turnfests bietet sich allerdings ein völlig anderes Bild. Eigentlich haben sie mehr als genug zu tun: Helfer und Fahrzeuge disponieren, Hilfe organisieren, tausende Anfragen bearbeiten. Nun sind sie aber gezwungen, zu essen und zu trinken. In regelmäßigen, viel zu kurzen Intervallen. Fremdgesteuert durch Strommangel. Der Autor dieser Zeilen macht sich Sorgen. Nicht um die eigene Adipositas. Sondern um die der Kollegen im Back Office.

Man darf sich das nämlich sonst eher so vorstellen: Ein Turnfest ist für Mitarbeiter, Helfer, Volunteers nämlich gemeinhin ein Quell der Gewichtsreduktion. Jeden Tag knapp ein Pfund, so der Richtwert. Keine Zeit zu essen, den ganzen Tag in Bewegung, das wirkt Wunder und lässt jede Low-Carb-Diät und alles Intervall-Fasten verblassen. Aber für die Macher im Back Office ist nun das Gegenteil der Fall. Sie sind zum verharren und zur Nahrungsaufnahme gezwungen, nur weil die Akkutechnik noch immer auf dem Stand von vor 30 Jahren stecken geblieben. Bewegungsmangel dank fehlendem technischen Fortschritts. So, jetzt ist aber Schluss, ich habe kaum noch Akku-Laufzeiiiiiitttttt……


#BEHPPY: Turnerische Bio-Diversität

19. Juni 2019, #BEHPPY19, Innenleben

Über die Vielseitigkeit des Turnens, der Turnerinnen und Turner sowie eines Turnfestes wurde an dieser Stelle schon öfter und heftigst schwadroniert. Aber was man im Laufe der Aufbauarbeiten eines Landeturnfestes so alles an turnerischer Bio-Diversität erleben darf, das übertrifft wahrlich sämtliche Erwartungen. Da wäre zum Beispiel der Bühnenbau. Großes Rasenfläche, sagenhafte Klettergerüste. Klingt nach Turnvater Jahn und Hasenheide. Nur dass, die, die da hochklettern halt keine Turner sind, sondern Rigger heißen (Wikipedia: Höhenarbeiter, die mit dem Auf- und Abbau der Traversen bei Veranstaltungen beschäftigt sind). Wenn man den Jahn-Jüngern glauben will, sind’s aber eigentlich Turner.

Turner müssen stark sein. Doch irgendwann genügt die Muskelmasse nicht mehr. Besonders wenn es darum geht, schwerste Lasten (genau: Bühnen) an besondere Orte zu bewegen. Die Freilichtbühne in Heppenheim ist so ein Ort. Eine Idylle mitten im Wald, trotzdem ganz nah am Innenstädtchen gelegen. Traumhaft – leider müssen zur Anlieferung Steigungen überwunden werden, um die selbst die Tour de France bei einer Bergetappe einen Bogen machen würde. So etwas überfordert auch die gestandesten Brummis samt deren Kutscher. Hilft nur schieben oder schweres Gerät. In diesem Fall haben sich unserer Turner für die kraftschonende Alternative entschieden. Wahrscheinlich hätten aber auch die turnerischen Muskelberge nicht genügt, angesichts von 15 Tonnen und 19 Prozent Steigung.

Besondere Einsätze, besondere Teams. Und weil wir Turner ja im Hier und Jetzt angekommen sind, wurde für das Landesturnfest eine SWAT gebildet. Soll  bedeuten: special weapons and tactics. Ganz so martialisch wie bei den amerikanischen Originalen ist das in Bensheim und Heppenheim allerdings nicht. Denn erstens mal besteht die SWAT in erster Linie aus dem Vorstand der Hessischen Turnjugend. Und natürlich sind sie nur mit Muskelkraft und viel Energie bewaffnet. Aber taktisch sind sie bestens ausgebildet. Deshalb tragen sie auch erst einmal den Fußball davon.


#BEHPPY ist die Antwort...

11. Juni 2019, #BEHPPY19, Innenleben

So ein Turnfest ist wie das echte Leben. Deshalb bewegt das Turnfest auch organisatorisch das, was man so die „großen gesellschaftlichen Themen unserer Zeit“ nennt. Und spätestens jetzt ahnt man, um was es gehen könnte.

1.      Klimaschutz
Wie fängt das Turnfest an? Genau, mit einem klimafreundlichen Zug durch die Gemeinde! Das hat Tradition, kommt von Jahn (und nicht von Greta Thunberg, außerdem ist die turnerische Klima-Demo am Mittwoch und nicht am Freitag), denn schon auf die Hasenheide zog man zu Fuß, voran das Turner-Banner und die Blasmusik. Der CO2-freundliche Anmarsch zum Turnfest ist einfach in den Genen der Turnerschaft fest implementiert.
Aber wir Turner stehen ja für Tradition und Moderne gleichermaßen, deshalb ist auch eine Reise aus der Ferne vorgesehen (und nicht nur von Berlin zu Fuß auf die 2 Km entfernte Hasenheide), die man wenn möglich klimaneutral mit den öffentlichen Verkehrsmitteln oder in einem Vereinsbus antritt. Vor Ort ist’s ja dann wie bei Jahn, da kann man sich zu Fuß bewegen oder mit dem ÖPNV-Ticket, das man mit der Festkarte mitbekommt. Selbstverständlich verzichten wir auf Einweg-Geschirr etc. und bringen unsere Frühstücks-Teller für das Schulquartier selber mit. Womit wir bei der Hausordnung für die Gemeinschaftsunterkünfte wären, die eigentlich ein Kompendium der Nachhaltigkeit sind: Elektro-Geräte sind nicht erlaubt, Luftverschmutzung durch Rauchen selbstverständlich untersagt und Müllvermeidung obligat.

2.      Knapper und bezahlbarer Wohnraum
Auch da sind wir um Turnfest-Antworten nicht verlegen. Jeder, der es schon mal mitgemacht hat, liebt sie: Die Gemeinschaftsunterkunft, auch Schulquartier genannt. In Zeiten großer Verdichtung innerhalb der Ballungsräume haben wir die Umnutzung und das Zusammenrücken als Antwort parat. Während in unseren Zentren über neue Wohnformen in tiny houses nachgedacht wird, nehmen wir die Klassenzimmer bestehender Schulen, gönnen unseren Teilnehmern generöse 3 m² und

3.      Die kippende Alterspyramide

Stimmt. Merkt man auch beim Turnfest. Nun gut, da kann man sagen, die Hälfte der Besucher ist total jung, also ein Traum für die Veranstalter (und insbesondere die Turnjugend J). Doch die Älteren kommen. Das merkt man sowohl an den ausgebuchten Wanderungen (ganz ehrlich: welcher 17-Jährige wandert schon beim Turnfest…?) aber auch an den gut nachgefragten Wahlwettkämpfen in den etwas höheren Altersstufen. Allerdings bringen die Älteren meine Thesen zum Wohnraum ins Kippen, denn sie schlafen oft nicht in der gebotenen Enge der umgenutzten Klassen sondern frequentieren die lokale Hotellerie. Doch da sind wir nachsichtig, weil noch ist die Rente ja sicher und jeder ältere Turnfestbesucher (nur: wie alt ist man eigentlich, wenn man älter ist?) darf sich wohl als Traum der Krankenkassen und Rentenversicherer fühlen, denn ältere Turner sind … genau: fit.

Das Turnfest ist also, genau das, was Douglas Adams in seinem großartigen Roman Per Anhalter durch die Galaxis mit 42 meinte – die Antwort auf alle großen Fragen unserer Zeit. Falls nicht, dann aber auf alle Fälle eine Möglichkeit, sich fünf Tage zu bewegen, Freunde zu treffen und einfach Spaß zu haben . BEHPPY eben!


#BEHPPY19 oder: Da gibt es sicher was zu besprechen!

05. Juni 2019, Innenleben, #BEHPPY19

Können Sie sich vorstellen, was vor einem Turnfest in so einer Turnverbands-Geschäftsstelle los ist? Genau. Land unter. Telefone im Dauerklingel-Modus, Konferenzen, Meetings oder Besprechungen zur Lage, zur Sicherheit, zur Wettkampf-Durchführung, zur Konzert-Technik, zum Bühnenaufbau, zur Verkehrslenkung, zur Aufstellung von fliegenden Bauten, zur Positionierung von Toiletten-Häuschen, zur Akkreditierung und zum Frühstück in den Schulquartieren, um nur eine kleine Auswahl zu nennen.  Ja, alles will recht organisiert sein, denn die Messlatte liegt hoch.

Turnfeste sind kleine Meisterwerke der Organisation -  kann man mit Fug und Recht behaupten. Das liegt im Wesen des Turnens. Darauf muss man immer wieder mal hinweisen: Bewegungsmuster, die nach Perfektion streben, in einem Wettkampf zu betreiben, wirkt auch aus dem eigentlich sportlichen Bereich heraus. Alles was sich nicht absolut rund dreht, fällt durch das Raster; Ãœberschläge, die nicht korrekt ausgeführt werden, fallen aus der Wertung und Griffe, die nicht sitzen, führen zum Abgang vom Gerät (missratene Kunststücke am Balken gerne auch!).

So etwas überträgt sich natürlich in den (Vereins)Alltag. Beim Turnen muss die Organisation sitzen. Egal wie - sonst Abgang, um es mal böse zu sagen. Ja, der Turner (und natürlich auch die Turnerin) verzeiht keine kleinen Fehler oder Ungereimtheiten, deshalb auch die vielen Konferenzen, Meetings oder Besprechungen und Telefone im Dauerklingel-Modus. Alles, aber auch wirklich Alles ist durchorganisiert, bestens aufgestellt und jeder turnerische Wunsch wird umgesetzt.

Als ob das nicht alles schon genügen würde, um eine gute Hundertschaft ehren- und hauptamtlicher Mitarbeiter ordentlich in Schwung zu halten, es gibt noch immer welche, die was oben draufsetzen. Ohne jetzt in allgemeine Schelte über uns Staatswesen verfallen zu wollen, aber was die deutsche Gesetzgebung sich inzwischen zur Sicherheit bei Großveranstaltungen, seien es erheiternde oder sportliche, einfallen hat lassen, überschreitet tatsächlich den zugegeben kleinen Horizont eines Bloggers bei weitem und nährt die krudesten Vergleiche unter den Kollegen („Hätte Fukushima die gleichen Sicherheitsauflagen gehabt wie das Turnfest, hätte das Erdbeben um einiges stärker ausfallen müssen“). Zugegeben, das ist political incorrect und böse, zumal sich die Kollegen in den Verwaltungen an der Bergstraße alle erdenkliche Mühe geben, BEHPPY als Motto umzusetzen. Dafür sollte man sie mal loben, die deutsche Verwaltung, insbesondere die im Süden Hessens. Allerdings kann man schon zwei Wochen vor Beginn des Turnfestes an der Bergstraße SICHER sein: Wenn sich Turner und Sicherheitsbehörden paaren, kann eigentlich nichts schiefgehen.

Unter der Kategorie #BEHPPY19 werden wir Ihnen ab sofort in unserem Blog kleine Einsichten in den Irrsinn namens Turnfest gewähren. Ab sofort oft und mit dem Beginn der Turnfestwoche immer öfter. Und während der Tage an der Bergstraße finden Sie uns auch auf der Turnfest-Homepage, dann mit einem verstärkten Blogger-Team.


Der Adler atmet am liebsten frische Luft

02. Mai 2019, Innenleben

Es muss einmal eine Lanze für das Turnen gebrochen werden. Finde ich zumindest. Und zwar gerade hier in Frankfurt. Denn die Mainmetropole kennt nur noch ein sportliches Thema: die Eintracht. Allenthalben überstürzt man sich mit Lob, das man vielleicht mehr oder minder verdient haben könnte. Auf alle Fälle euphorisieren die Kicker die Stadt mit ihrer Leistung als gäbe es nichts Anderes mehr sportlich zu erleben. Dabei muss man ja zugeben, dass die Sache schon ein wenig ansteckt, was sicher nicht an meiner unmittelbaren Nachbarschaft zum Spielort der Frankfurter Profis liegt. Während ich mich ja sonst mit Abscheu von allem abwende, was auch nur nach Fußball riecht, habe ich den vergangenen Donnerstag tatsächlich in der Glotze den Kick meiner Nachbarn geschaut. Allerdings nur, bis ich zu Beginn der zweiten Halbzeit sanft auf der Couch entschlummerte, was aber wiederum nicht am Spiel an sich als auch im speziellen lag, sondern daran, dass ich am Abend zuvor… naja, ich will die Details aussparen, sie tun nichts zur Sache.

Denn eigentlich ging es ja darum die Lanze zu brechen (und ausnahmsweise keinen Stab über den Fußball). Die gilt auch für die Eintracht selbst, denn die hat einiges mehr zu bieten als kicken. Nehmen wir die Turner, die jüngeren insbesondere, denn die bringen’s wirklich. Schauen Sie mal auf die News unser homepage: Da lächeln sie gleich fünf Adler-Trikots an, die sich allesamt gerade bei einem nationalen Wettkampf bärenstark verkauften, obwohl man auf einen Leistungsträger quasi verzichten musste. Aber auch sonst und gerade turnerisch hat die Stadt einiges zu bieten. Das wird gerne mal übersehen, liegt aber vor allem daran, dass sich just neben dem gigantischen Kicker-Tempel das Leistungszentrum unseres hübschen kleinen Verbandes befindet. Und weil es da noch mehr als Gerätturnen zu bewundern gibt, und besagtes Zentrum mit hervorragenden Leistungen zu glänzen gefällt, sei an dieser Stelle noch einmal auf die News auf unserer homepage vom zurückliegenden Wochenende verwiesen. Da siegen die Sportgymnastinnen in Nürnberg und die Trampolinturner in Hannover (mit einer besonderen Arithmetik, wie der Landestrainer verlautbaren ließ: 7 Starter, 6 Podestplätze, 5 Siege), die jungen Gerätturnerinnen schnappen zum ersten Mal bundesweite Wettkampfluft im Schwäbischen.

Gerade beim Nachwuchs hat sich ganz schön was getan in Sachen Frankfurter Turnen. Nur kaum einer merkt’s. Genau wie das Hessen-Derby zwischen den Skylinern und den Gießen 46ers nächste Woche, den großartigen Auftritten der jungen United Volleys oder der Löwen, die bereits ein Bein in Richtung DEL streckten oder der Hockeyspieler von SC 80, gerade um den Erstliga-Aufstieg kämpfend. Die Sportlandschaft in Frankfurt ist bunt und vielfältig, sehr bunt sogar. Und sie gibt viel mehr her als „schwarz-weiß wie Schnee“, so großartig die Inszenierungen der Fans auch sind und so toll die Entwicklung der SGE auch sein mag. Manchmal raubt sie den anderen auch die Luft zum Atmen.


Ein Snickers für die Miesepeter dieser Welt

29. April 2019, Innenleben

Ja, das waren schöne Ostertage mit Traumwetter. Aber kaum waren sie vorüber beschäftigte Alle, die damit zu tun haben, nur ein einziges Datum: der 23. April. An besagtem Tage um 23.59 endete nämlich die Anmeldefrist für das Landesturnfest. Nun kann man sich sicherlich vorstellen, dass man nicht einfach so irgendwelche Meldezahlen zur Kenntnis nimmt, wenn man im Job unentwegt damit zu tun hat. Das Ganze ist wegweisend. Auch, weil so etwas in unseren Büros von einer kleinen Schätz-Wette begleitet ist: Wer am nächsten dran ist an der tatsächlichen Teilnehmerzahl, der bekommt einen Schokoriegel. Man sieht, in der HTV-Verwaltung, wie auch in der Führung (Präsidiumsmitglieder waren auch beteiligt) übt man sich in turnerischer Enthaltsamkeit. Alleine die Aussicht auf ein Bounty oder eine Snickers führt zu freudiger Aufregung.

Zudem hatte ich bislang in der mir eigenen Naivität Sportwetten immer als Medium verstanden, die Kühnen und Wagemutigen zu belohnen (die Sache mit der Sucht und sonstigen Begleiterscheinungen will ich hier nicht kleinreden, aber einfach mal weglassen). So hat mir an Ostern mein Sohn den Screenshot der Fußballwette eines Sportfreundes gezeigt: Eintracht wird UI-Cup Sieger, Werder gewinnt den DFB-Pokal und Ajax die Champions League – Einsatz 20 Euro, Wettergebnis 40.000 Euro. Okay. Inzwischen sind die 20 Euro in den Taschen der Wettanbieter gelandet, denn Bremen ist raus (fragen sie an dieser Stelle nicht nach den Umständen, darüber regen sich andere auf). Nichtsdestotrotz schien mir meine Schätzung von 5.125 Teilnehmern beim Landesturnfest in Bensheim und Heppenheim als tausendfach sichererer Tipp.

Um ganz ehrlich zu sein: Eigentlich war ich mir sicher, dass bei der Rückkehr aus den Oster-Kurzferien am Donnerstag letzter Woche das Objekt meiner Süßigkeiten-Begierde auf der Tastatur meines Rechners auf mich warten würde. Wohl verpackt in Geschenkpapier, mit Schleife und einer Glückwunschkarte unserer internen Wettveranstalter. Umso schlimmer das Ergebnis. Nun will ich nicht mit persönlichen Details nerven. Aber dass ausgerechnet die Miesepeters dieser Welt sich fürderhin mit leckeren Süßigkeiten vollstopfen, ist sicher nicht Sinn der Sache. Nein, mein Wagemut wurde nicht belohnt. Und die eigentlich nötigen Beschimpfungen der von mir sonst hoch geschätzten hessischen Turnerinnen und Turner unterlasse ich jetzt einfach. Nur eines würde ich gerne mal wissen. Was wurde eigentlich falsch gemacht, dass wir mit nur 4.000 Wettkämpferinnen und Wettkämpfern an der Bergstraße rechnen dürfen? Schreiben sie’s einfach in die Kommentare. Es interessiert mich (und vor allem die Turnfest-Organisatoren) sehr. Denn das Turnfest hat Ihr und Euer Kommen verdient. Ich mein Bounty offensichtlich nicht. Ist nicht so schlimm. Ich hole mir eines in der DOSB-Kantine nach dem Mittagessen. Ich muss den Frust über das Meldeergebnis mit Süßigkeiten kompensieren - sowie die Tatsache, dass unsere Pessimisten auch noch belohnt werden.


Vorbilder müssen keine Keulen sein!

15. April 2019, Innenleben

Jeder hat seine Vorbilder. Fabian Hambüchen ist sicher das Vorbild vieler junger Turner im Hessenländle, Pauline Schäfer jenes der Turnerinnen, zumindest derer, die sich bevorzugt über den Balken zittern. Zumal die Agenturen melden, dass sich die Balken-Weltmeisterin von 2017 bei der Europameisterschaft mit einem furiosen Comeback nach langer Verletzungspause zurückgemeldet habe. Und genau an dieser Stelle musste ich an meine beiden Vorbilder denken. Denn der eine hat sich jetzt abgemeldet und ist mit Sicherheit eines: der größte deutsche Sportler! Genau – gemeint ist Dirk, der sich inzwischen lieber als Texaner bezeichnet (er ist der einzige, dem ich das nicht übelnehme!) und angesichts seiner Körpermaße nicht turnt (was ich gut verstehen kann) und über den mein anderes Vorbild schreibt: „Jeder will ihn als Freund haben“. Stimmt. Hätte ich gerne. Muss ich zugeben. Einfach ein geiler Typ. Mit tränenerfüllten Augen habe ich am vergangenen Mittwoch still vor der Glotze angesichts der Bilder im heute journal getrauert.

Nun habe ich ja die Brücke zu meinem anderen Vorbild schon gebaut, fünf Sätze zuvor konnte man es bereits erahnen, dass es sich wohl auch um einen Schreiberling handelt. Stimmt. „gw“ heißt der Mann, ist inzwischen im Ruhestand und war einst mein Chefredakteur. Auf alle Fälle handelt es sich aber um den begnadetsten Sportkolumnisten im deutschsprachigen Raum. ‚Nun gut‘, sagen Sie nun, ‚was hat das mit diesem Blog zu tun‘. Ganz viel. Denn trotz seiner analogen Herkunft (klassischer Zeitungsjournalist und Kugelstoßer!) bloggt er seit Jahren sehr geistreiches und manchmal auch humoristisches zu Sport, Politik und was (sich) sonst noch so bewegt. Und das auch noch reichlich ideenreich und wortgewaltig. Deshalb empfehle ich die Lektüre auch besonders, genau wie die immer noch gedruckt erscheinende „Anstoß“-Kolumne, samstags in meiner Heimatzeitung. Es ist der etwas andere Blick auf das Sportgeschehen, den ich sehr schätze. Obwohl ich mit meinen Vorbildern durchaus kritisch bin. Was bei Dirk Nowitzki schwerer ist, denn viel Reibungsfläche bietet er nicht. Eigentlich überhaupt keine. Was ihn von meinem anderen Vorbild unterscheidet. Denn davon bietet er reichlich. Was als Kolumnist wohl auch so sein sollte. Womit wir schon bei dem wären, was beide eint und weshalb man sie vielleicht auch beide gerne als Vorbilder haben kann – denn eines tun beide nicht: mit der Moralkeule schwingen und trotzdem aufrecht für die Werte des Sports stehen. Respekt.


Eine Anleitung zum Glücklichsein!

04. April 2019, Innenleben

Um mal nahtlos an den letzten Blog anzuknüpfen: BEHPPY – oder: Einfach glücklich sein. Seit Wochen geistern diese sechs Buchstaben durch turnerische Hochglanzbroschüren und bewegte soziale Medien. Aber auch bei Gauturntagen tauchen sie auf, in Verbindung mit dem Hessischen Landesturnfest an der Bergstraße. Zum Beispiel bei Präsentationen, mit denen landauf und landab auf dieses wunderbare Event aufmerksam gemacht wird. Gerne verbindet der einen oder andere Präsentator mit dem Auftauchen der glorreichen Sechs (gemeint sind natürlich die Buchstaben, nicht der Western-Klassiker, das waren ja Sieben!) ein wenig Interpretationslehre. Ist ja auch verständlich. Denn die Buchstaben alleine sprechen ja für nichts. Vor allem weil ihnen eine phonetische Triebfeder fehlt. Oder mehrere. Genau. Vokale.

Ohne Vokale keine Worte. Das weiß nun wirklich jeder. Aber trotzdem liest jeder erstmal das, was er lesen soll. Nämlich die Aufforderung, glücklich zu sein (okay, sie ist in englisch, was Jahn nicht gefallen würde, ist heute aber Usus!). Das ist ja an sich erstmal gut. Oder sind Sie, werte Leser, gerne unglücklich?

Womit wir in der propädeutischen Abteilung unseres Blogs gelandet wären. Ja, eines der zentralen Themen der Philosophie ist nämlich das Glück des Menschen. Was wiederum gut zum Turnen passt (sie verzeihen mir die kleine Unebenheit in der logischen Überleitung) und noch besser zum Turnfest. Aber Obacht, da lauert schon die nächste kleine philosophische Falle! Denn schon die ollen Griechen (genauer, Epikur) unterschieden Eutychia, also die Gunst der Umstände (es ist schon Eutychia, dass sie immer noch weiterlesen!) und Eudamonia, nämlich das Glücksgefühl. Letzteres ist uns gut bekannt. Gelungene Übung am Reck, Abgang gut gestanden – Eudamonia!

BEHPPY ist beides. Kommt selten vor. Ist aber so. Es ist die Verkettung glücklicher Umstände, in BEnsheim und HEppenheim eine sagenhafte TurnPArty veranstalten zu dürfen, die bei jedem Teilnehmer unendliche Glückgefühle erzeugt. Und erzählen sie mir jetzt nichts mehr von einer sinnlosen Aneinanderreihung von Buchstaben bei der auch noch Vokale fehlen! Seien sie doch einfach glücklich und kommen Sie zum Turnfest. Sie haben noch eine Woche Zeit, sich anzumelden.


Wenn Turnen unernst wird, wird Lachen zur Pflicht!

01. April 2019, Innenleben

Holla, das Datum lädt zum Scherzen ein. Und die Turnerei bietet nun wirklich ausreichend Oberfläche (und Tiefe :-)), um sich auf humoristische Weise mit ihr auseinanderzusetzen. Aber irgendwie ist es ein wenig so, dass wir das weitgehend aus den Augen verloren haben. Das war nicht immer so. Vor gut hundert Jahren haben sich unsere altvorderen Turner gerne über sich selbst lustig gemacht. Das wirkt aus heutiger Sicht zwar ein wenig verstaubt und eventuell außerhalb der vielbeschworenen Political Correctness, kommt aber durchaus reizvoll daher. Vor gut einem halben Jahr hat der Kollege Pappert in einer Ausgabe von Turnen in Hessen einige bemerkenswerte Reliquien jener Zeit zusammengetragen und abgebildet. Nicht nur zu meinem Amüsement.

Trotzdem. Ich kann mich des Eindruckes nicht erwehren, wir Turner verlernen das Lachen immer mehr. Und ich glaube den Grund zu kennen. Wir sind viel zu korrekt. Nicht nur politisch. Wahrscheinlich liegt es in der Natur der Dinge, dass das so sein muss. Denn Turnen ist erst einmal neutral. Es ist weder lustig, noch ernst; es ist erst mal weder gut noch schlecht. Es ist einfach: Turnen. Erst mit einer spezifischen Zuweisung innerhalb unserer Wahrnehmung machen wir das Turnen zu dem, was es ist: was ernstes.

Gut, dafür, das in unserem Hirn ein Ernst-Hormon ausgestoßen wird, wenns um dieses durchaus heitere Thema geht, gibt es noch weitere Gründe. Ernste Rahmenbedingungen (zeigen Sie mir doch mal eine witzige Stelle im Code de Pointage), ernste Trainer (darf ich sie mal zu einem Landesturntag einladen?), ernste Funktionäre (diese Klammer muss leider leer bleiben!), ernste Correctness (eigentlich hätte ich ja Trainer*innen und Funktionär*innen schreiben müssen). Deshalb signalisiert uns irgendeine zerebrale Region: Achtung – jetzt geht’s um Turnen, also weg mit dem Spaß.

Deshalb mein Appell zum 1. April, dem offiziellen Scherzkeks-Tag. Macht mehr Witze über’s Turnen. Ohne gleich zotig zu werden, also mit Wortwitz, Esprit und natürlich Tiefgang (gilt besonders für den Autor dieser Zeilen!). Schaltet euer Hirn um (nicht aus …) und macht das Turnen zu dem, was es einst war: eine fröhliche, oft auch lustige Angelegenheit. Übrigens gibt es dieses Jahr wieder eine durchaus heitere Gelegenheit, Turnen unernst zu erleben. In Heppenheim und Bensheim. Beim Landesturnfest. In diesem Sinne. BEHPPY!


Holt die Turnpfeile aus dem Bewegungsköcher, sie werden gebraucht!

21. März 2019, Innenleben

Nach so viel Herumgehacke auf den Fernseh-Kollegen muss ich Widergutmachung üben. Insbesondere beim SWR. Den hatte ich vergangene Woche ja bereits ein Sonderlob ausgesprochen, das an dieser Stelle vertieft werden soll (Kann man ein Lob vertiefen – oder vielleicht sollte man es besser erhöhen? Egal, Sie wissen was ich meine!). Denn er berichtet – wenn auch im Regionalteil, ein wenig versteckt – vom Kongress „Kinder bewegen“ in Karlsruhe, mitausgerichtet von der Kinderturn-Stiftung Baden-Württemberg und den Kollegen des Badischen Turner-Bundes.

Allein die Tatsache, dass man so etwas zur Kenntnis nimmt, empfinde ich als Sensation. Dabei berichtet der SWR von einer Karlsruher Schule, die die Botschaften der Sportwissenschaftler am Karlsruher Institut für Technologie ernst genommen haben. An dieser badischen Grundschule bewegt man die Kinder einfach mal so vor der Mathe-Stunde mit ein paar kleinen Balance-Übungen und siehe da: Das mit dem Rechnen klappt tatsächlich besser.

Das klingt für uns Menschen in Turn-, Sport- und Jugendverbänden banal und fast schon ewiggestrig, kann aber gar nicht genug wiederholt werden. Denn die Regel ist nach wie vor: Den jungen Menschen hierzulande fehlt es an Bewegung. Und der der Mangel nimmt zu, das zeigt die aktuelle KIGGS-Studie des Robert-Koch-Institutes. Am bedenklichsten: Gerade Mädchen aus unteren sozialen Schichten bewegen sich immer weniger.

Und spätestens jetzt muss ich sagen, das sehe ich uns in der Pflicht. Denn gerade für diese Zielgruppe haben wir Turner genug Pfeile in unserem Angebots-Köcher. Auch wenn die Kollegen bei Spiegel online in ihrem Bericht zum Kongress feststellen, dass der organisierte Sport wohl nicht in der Lage sein dürfte, die Defizite auszugleichen (und sich da auf den Studienleiter bezieht). Nein: Diese Tatsache dürfen wir durchaus als Chance sehen. Denn wenn es die Jungs (auch aus niedrigen sozialen Schichten) noch schaffen, nachmittags zum Fußball-Training zu gehen, dann können wir doch gut und gerne mit (Kinder-)Turnen und Tanzen kontern.

Teurer ist’s auf keinen Fall, denn gerade diese Angebote sind in Turnvereinen wirklich kostengünstig zu bekommen. Und wer die knapp 50 Euro, die so ein Angebot durchschnittlich wohl pro Jahr in unseren Vereinen kostet, nicht bezahlen kann, für den springt entweder das Teilhabe-Gesetz in die Presche oder der turnerische Pragmatismus, den man oft bei uns beobachten kann: dann beschließt man eben schnell mal im Vorstand eine Ausnahmeregelung und setzt den Beitrag aus, damit der schnöde Mammon nicht dem Bewegungsmangel im Wege steht. Wenn das nicht soziale Verantwortung ist!


Dem deutschen Turnen fehlt der Glamour

14. März 2019, Innenleben

Nein, es soll keiner vergrault werden. Aber ich muss mal mit der Medienschelte weitermachen. Und zwar ungefähr dort, wo ich in der letzten Woche aufgehört habe. Bei der Sportschau. Könnte aber auch das Konkurrenzprodukt sein, das eine Stunde früher über den zweiten öffentlich-rechtlichen Kanal flimmert und sich Sport Reportage nennt. Und wie das so ist, wenn man fundiert Kritik üben will: Wir schicken ein Lob vorne weg. Denn es ist ja eine helle Freude, wenn sozusagen zur besten Sport-Sendezeit am Sonntagnachmittag Turnen gesendet wird. Anlass genug gab es ja, für die Fußballredaktionen, die sich gerne mit dem Begriff Sport aufzuwerten suchen, eine Ausnahme von der Kickerregel zu machen und tatsächlich vom DTB-Pokal in Stuttgart berichteten. Nochmal – besonders angesichts des vielen Gegrummels – ein dickes Lob. Fünf-Minuten-Berichte, vorher angekündigt, und nicht nur ein kurzes Standbild im Nachrichtenblock. Die Kollegen in Schwaben scheinen einen guten Draht in die Redaktionen zu haben und selbigen schon jetzt im Hinblick auf die WM im Herbst so richtig am Glühen zu halten. Noch mehr Lob.

Doch gerade im Sinne der Schwaben wollen wir es mit dem Lob aber nicht übertreiben. Denn diese wirklich wunderbare Turnveranstaltung ging über die beiden Tage eines Wochenendes. Samstag und Sonntag. Nur, dass am Sonnabend halt die Herren turnten. Im Umkehrschluss der Fußball- (pardon: Sport-)Redaktion auf dem Mainzer Lerchenberg sollte das doch für das Sportstudio genügen, so mein kruder Gedankengang, denn Frauenfußball kommt nach elf am Samstagabend ja auch nicht vor. Krude, wie gesagt. Natürlich nicht. Drei Zweitligaspiele kickender Herren in aller langweiligen Ausführlichkeit überdecken natürlich das spannende und in diesem Falle männliche Geschehen in der Stuttgarter Turn-Halle. Will heißen: Turnen – Fehlanzeige. Soweit des Gegrummels erster Teil.

Kommen wir also zum Sonntag. Denn es klingt ja erstmal super. Ausführliche Berichte von einem hochklassigen Turnspektakel. Und dazu noch ein Livestream des „gastgebenden“ SWR. Fast. Denn was es zu sehen gab war eher eine Personality-Show der Simone Biles. Um es gleich vorwegzunehmen: Die Texanerin ist ein Ausnahmetalent - und ihre turnerischen Leistungen nicht nur spektakulär sondern eine echte Augenweide. Doch vielleicht hätte den Berichterstattern auffallen können, dass dort noch mehr Turnerinnen (ups, stimmt, auch Eli Seitz fand kurz mit ihrer Weltklasse Stufenbarren-Übung statt) an den Start gingen und das Ganze sogar als sportlicher Wettbewerb mit Spannungsbögen auf allerhöchstem Niveau. Und nochmal kurz zur Erinnerung für die Kollegen in den Redaktionen: Am Tag zuvor waren auch Männer am Start, und auch aus nationaler Sicht nicht ganz so schlecht, denn Marcel Nguyen schaffte einen überraschenden vierten Platz im Weltklasse-Feld. Dass das Ganze noch durch eine Team-Challenge abgerundet wurde, und die deutschen Turner sogar mit Silber auftrumpften, fand dann keinen Platz mehr in den Reportagen. Warum auch? Nicht genügend Glamour, vermute ich. Doch wie hieß es früher: „Turnen ist mehr…“. Viel mehr als Glamour. Sicher.

Foto: DTB


Ein heißes Eisen macht noch keine Hysterie

11. März 2019, Innenleben

Manchmal muss man ja froh sein, dass man Turner ist. Stellen Sie sich mal vor, wir würden hier über Leichtathletik reden. Oder über Radfahren. Jeder dritte Satz hätte Doping oder Betrug zum Inhalt. Gottseidank ist das hier ein wenig anders, was wohl daran liegt, dass im Turnen Doping wenig effektiv und beim Einsatz von den NADA-Kontrolleuren schon an der Urinfarbe erkannt würde (anabole Steroide). Ich weiß, jetzt provoziere ich Schelte, denn das riecht nach turnerischer Überheblichkeit, zu behaupten, die Sportarten, über die hier schwadroniert wird, die seien moralisch außen vor. Nein, so ist es nicht gemeint. Ich vermute, auch beim Turnen wurde schon gedopt, vermutlich wird es auch noch. Aber es ist nicht einmal die Ausnahme, die eine Regel bestätigen könnte. Und der Grund liegt auf der Hand: turnerischer Erfolg führt nur in den allerwenigsten Fällen zu wirtschaftlichem Erfolg.

So weit, so gut. Aber aus dieser Haltung heraus, würde es mir ja leichtfallen, mit dem ausgestreckten Studienrats-Zeigefinger auf die Leichtathleten, Kraftsportler, Radfahrer, Biathleten, und Nordischen zu deuten. Will ich nicht. Im Gegenteil. Ich will sie mal in Schutz nehmen. Aber bevor ich das tue, will ich Ihnen versichern, dass ich Doping für verabscheuenswürdigen Betrug halte, den es unbedingt zu verfolgen und bestrafen gilt.

Lassen Sie es mich aber trotzdem mal anders beleuchten. Zum Beispiel am Beispiel der russischen Leichtathletik. So berichtete in ungeahnter Plakativität (nennen wir es mal vorsichtig so) die Sportschau gestern über Listen aus dem Kreml, in dem immer noch Trainer auftauchen, deren Athleten gedopt hatten oder von ihnen offenkundig zu selbigem angeleitet worden waren. Ein extrem unschöner Vorgang. Zweifelsfrei.

Nun lassen sie uns aber mal die Bälle flach halten (um es mit meinen geschätzten Zweier-Prellballern zu sagen!). Doping ist Betrug. Kein Zweifel. Wir müssen uns aber nicht als Scharfrichter aufspielen. Denn es geht nicht um Mord oder einen Terrorakt. Etwas weniger Hysterie würde uns wirklich guttun. Auch wenn da ein Arzt in Erfurt oder ein Trainer in Moskau gleich mit mehreren Sportlern systematisches Blutdoping betrieben hat – nein, es ist nicht die Camorra, die hier die Strippen zieht. Lasst uns Menschen, die so etwas tun, nicht behandeln wie Kindermörder. Sondern wie die Straftäter, die sie sind. Nicht mehr und nicht minder. Grauseligste Verschwörungstheorien – egal ob in Thüringen oder in Russland sind da wenig zielführend. Zumal es noch viel mehr unschöne Ausprägungen im Sport gibt. Nur das übersehen wir gerne, oder nehmen es wohlwollend hin. Viel mehr, als uns lieb sein kann.

Doch von all dem will ich mir den Spaß an der Bewegung nicht vermiesen lassen. Auch wenn es sich medial mehr oder minder gut aufbereiten lässt. Gerade in einer Zeit, in denen wir in Blogs oder in sozialen Netzwerken so wunderbar schwadronieren können. Mit viel Scharfrichterei und ohne nötiges Augenmaß. Ich werde es mir zu Herzen nehmen.


Das Silicon Valley liegt in der Hasenheide

28. Februar 2019, Innenleben

Turner wenden dann doch alles zum Guten. Nehmen wir unsere gute alte HTV-Geschäftsstelle. Bei uns wird nämlich seit neuestem agil gearbeitet. Selbstverständlich, könnte man meinen: Wer, wenn nicht Turner ist wohl agil? Was aber an dieser Stelle eigentlich nicht im sportlichen Wortsinn gemeint ist. Agiles Arbeiten ist ja DAS Schlagwort – und nicht mehr nur bei Berliner Start-Ups , sondern auch in langweiligen Sportverwaltungen. Es klingt aber auch gut, was da 2010 in der Arbeitswelt auftauchte: In einem Aufsatz wurden durch den amerikanischen Entrepeneur und Unternehmer Jason Shah wissenschaftlich fundiert vier Grundsätze für agiles Arbeiten und die damit einhergehenden Work Hacks definiert:"

  • "Try something new every day."
  • „Stay fit, active and healthy."
  • „Allocate your time wisely."
  • „Don’t waste time in meetings."

Könnte auch vom Turnvater Jahn stammen, wenn es in deutscher Sprache verfasst, etwas umständlicher formuliert und in einem anderen Kontext entstanden wäre. Auf der Hasenheide zum Beispiel und nicht im Silicon Valley.

Aber zurück zur modernen Arbeitswelt des Turnens und weg von wilden Theorien. Denn eigentlich sind sie cool, die Hacks. Nehmen wir die frisch eingeführte Fokuszeit in unseren Geschäftsstellen. Jeden Tag von 11 Uhr bis 12 Uhr: keine Telefonate, keine E-Mails, keine Besprechungen. Stattdessen ruhiges, konzentriertes, inhaltliches Arbeiten zu wichtigen Themen und Fragestellungen und fokussierte Erledigung wichtiger Aufgaben.

So etwas schlägt durch. Tatsächlich. Es gelingt auf einmal, Freiräume zu schaffen, um Dinge zu tun, die sonst immer auf der Strecke bleiben. Zum Beispiel dieser Blog. Mindestens einmal in der Woche soll er künftig wieder mit Leben gefüllt werden. Die Fokuszeit macht’s möglich. Ob die vier Grundsätze von Jason Shah eingehalten werden - da kommen Zweifel auf. Schließlich soll man (siehe Bulletpoint 3) seine Zeit schlau oder gar weise verbringen und einteilen. Ob das gelingt, sei dahingestellt. Es obliegt Ihnen, liebe Leser, das zu beurteilen. Künftig wöchentlich. Das ist eine ernste Drohung. Denn die 2.100 Zeichen an dieser Stelle sind mir tatsächlich in nicht einmal einer Stunde Fokuszeit gelungen. Geht doch.
Und jetzt geht’s ab in die bewegte Mittagspause. In den Kraftraum des Olympistützpunktes. Echte Agilität. Im turnerischen Wortsinne. Übrigens mein liebster Work Hack.